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Der französische Organist Louis Vierne (1870-1937) war auch als Pianist und Komponist tätig. Sein Œuvre umfaßt Kammermusik, Lieder und Kirchenmusik, Werke für Klavier, Harmonium und Orgel. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich ausschließlich mit den Werken Viernes, die für eine Aufführung auf der Orgel gedacht sind. Dabei werden die Untersuchungen nicht auf die sechs Orgelsymphonien beschränkt, sondern auf sämtliche Kompositionen für dieses Instrument ausgedehnt. Dabei treten vielfältige Beziehungen und Übereinstimmungen der kompositorischen Anlage zwischen Symphoniesätzen und Einzelstücken (bzw. Stücken aus den beiden Messen und den beiden Sammlungen Pièces de fantaisie und Pièces en style libre) zutage. Alle Kompositionen werden klassifiziert und formal analysiert. Es stellt sich heraus, daß Vierne gerne auf die Sonatenform zurückgreift, die Themen oft aber nicht nur in einem einzigen Symphoniesatz verwendet, sondern auf die gesamte Symphonie ausdehnt. Die Anwendung des Zyklischen Prinzips befördert den Eindruck einer äußerst geschlossenen Gesamtanlage. Das formale Denken Viernes ist blockhaft, die einzelnen Abschnitte der Musik sind klar voneinander getrennt. Es kommt häufig zu Verschachtelungen verschiedener Themen bzw. Motive übereinander.
Weitere Kapitel der Arbeit beschäftigen sich mit der Entwicklung der Harmonik Viernes, deren chromatische Färbung ein Charakteristikum der Musik darstellt. Dabei wird herausgestellt, wie stark die chromatische Konzeption der Einzelstimmen das klangliche Gesamtgeschehen überwölbt, so daß die einzelnen Zusammenklänge stark dissonant erscheinen. Es wird gezeigt, daß sich eine solche Harmonik den Analysemethoden der Funktionsharmonik entzieht.
Ein weiteres Thema ist die liturgische Verwendbarkeit der Stücke, wobei auffällt, wie wenige Stücke explizit für die gottesdienstliche Praxis geschrieben sind – immerhin war Vierne 37 Jahre lang als Titularorganist an Notre-Dame in Paris tätig.
Der Anteil der Programmusik im Schaffen Viernes wird untersucht, der sich bis auf wenige Ausnahmen auf Assoziationen, die im Titel angesprochen werden, beschränkt.
Ausführlich werden die Spezifika der französischen Orgel erläutert. Dabei werden die Registrierungsangaben Viernes diskutiert und seine Vorstellungen der symphonischen Orgel dargestellt.
Das letzte Kapitel widmet sich den musikalischen Vorbildern Viernes. Obwohl Vierne für lange Zeit Privatschüler des Kompositionsprofessors Charles-Marie Widor war, scheint dem Autor der Einfluß von Viernes erstem Lehrer, César Franck, größer gewesen zu sein. Von ihm übernimmt Vierne die stark modulierende Harmonik, die auf das Vorbild Richard Wagner verweist. Doch auch die formale Komponente, namentlich die Verwendung des Zyklischen Prinzips, geht auf Franck zurück. Einflüsse von Claude Debussy finden sich im Bereich der Harmonik, nicht jedoch in der formalen Konzeption der Orgelwerke Viernes.
Der Einfluß Viernes auf die Musik seiner Schüler und Zeitgenossen war gering. Dazu war seine musikalische Sprache zu persönlich und – zumindest in der letzten Lebensphase – veraltet. Vierne konnte von der spätromantischen Ästhetik nicht loskommen. Er lobte die Kompositionen seines Schülers Maurice Duruflé, die aber nur wenig Gemeinsamkeiten mit den seinigen aufweisen. Weder die chromatische Schreibweise Viernes, noch die motivisch-thematische Arbeit war steigerungs- oder entwicklungsfähig. Verbunden mit einer depressiven Grundhaltung, findet seine Musik zwar zu einer großen Ausdruckskraft mit individueller Farbe, sie markiert aber zugleich den Endpunkt einer musikhistorischen Epoche.
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Louis Vierne (1870-1937)Places
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Thesis (doctoral)--Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz.
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