Von Berlin nach Berkeley

Deutsch-jüdische Identitäten

1. Auflage

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October 19, 2022 | History

Von Berlin nach Berkeley

Deutsch-jüdische Identitäten

1. Auflage

Reinhard Bendix ist ein Sozialwissenschaftler, der nicht zuletzt wegen seiner bedeutsamen Rolle als Vermittler zwischen europäischem und amerikanischem Denken bekannt ist. Er hat nun ein außergewö​hnliches Buch geschrieben; eine Biographie, die zugleich eins soziologische Untersuchung ist. In der Biographie seines Vavers und in seinem eigenen Lebenslauf sieht Reinhard Bendix zu Recht exemplarische Lebensgeschichten, in denen die Probleme assimilierter Identitäten besonders deutlich werden.

Ludwig Bendix (1877–1954), in einem westfälischen Dorf geboren, kam 1892 mit seiner Familie nach Berlin. Er war in an die Gerechtigkeit glaubender Jurist, der sich ganz an die deutsche Kultur assimilieren wollte. Bis 1933, als Hitler an die Macht kam, war er praktizierender Rechtsanwalt und eine Zeitlang nebenamtlicher Richter an einem Berliner Arbeitsgericht, Neben seiner Berufstätigkeit schrieb er zahlreiche Bücher und Aufsätze und wurde als Kritiker des deutschen Rechtssystems weithin bekannt. 1933 wurde er aus der Berliner Anwaltskammer ausgeschlossen; 1937 schließlich des Landes verwiesen. Nach zehn Jahren Aufenthalt in Palästina ist er zusammen mit seiner Frau 1947 nach Amerika weitergewandert.

Reinhard Bendix, 1916 in Berlin geboren, emigrierte 1938 in die USA. Nach einem Studium in Chicago und kurzer Lehrtätigkeit an der University of Colorado lehrt er seit 1947 an der University of California in Berkeley.

„Die Spannungen des 20. Jahrhunderts spiegeln sich in dem Generationskonflikt wider, der in der Jugend am stärksten empfunden wird. Die Bürde unserer Zeit spiegelt sich aber auch in der Einsamkeit der Erwachsenen wider. Die Verfolgung unserer individuellen Interessen lockert die familiäre Verbindung zu denen, die wir lieben, und weil wir vielen Gruppen angehören, sind wir keiner einzigen wirklich ganz
zugehörig.

Ich habe meinen eigenen Hintergrund für die Diskussion dieser zwei Problemkreise des Generationskonflikts und einer nur partiellen Gruppenzugehörigkeit gewählt. Dieser Hintergrund umfaßt Deutschland seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts bis zu dem systematischen Massenmord und seinen Folgen; die Entwicklung meiner Beziehungen zu meinem Vater, ein Thema, das bis zu eiem gewissen Grad auf meinen Großvater und meine Kinder ausgedehnt wird; die Lebensgeschichte meines Vaters und die Anfänge meiner eigenen Laufbahn; und schließlich die Emigration meines Vaters und die meinige aus Deutschland nach Palästina und in die Vereinigten Staaten.

Die Spannungen der modernen Welt sind durch die deutsche Geschichre seit 1870 deswegen besonders deutlich zum Ausdruck gebracht worden, weil die politische Einigung dieses Landes und seine schnelle Industrialisierung zeitlich zusammenfielen. Darüber hinaus haben viele Spannungen unserer Zeit ihren Ursprung in Deutschland; während der 30er und 40er Jahre haben sie apokalyptische Ausmaße angenommen. Der Erste Weltkrieg, die Revolution von 1918 und die darauf folgende Inflation, die Wirtschaftskrise der 30er Jahre, die Auflösung der Weimarer Republik, die Jahre der Hitlerdiktatur und des Massenmordes, der Zweite Weltkrieg und seine Folgen (die Teilung Deutschlands und die Gründung des Staates Israel), schließlich die weltpolitische Rolle der Vereinigten Staaten und ihre Auswirkung auf Europa: das sind die geschichtlichen „Stationen“ unserer familiären Erfahrung.

Dieses Buch behandelt das allgemeine Problem partieller Zugehörigkeit, der Randexistenz und des Außenseitertums unter dem besonderen Gesichtspunkt der Jahre des Hitlerregimes. Es versucht, die persönlichen Folgen dieser Jahre für eine spätere Generation 2u beschreiben, für die diese Folgeerscheinungen verblaßt oder bedeutungslos geworden sind, Beschwörungen des Holocaust sollten nicht das einzige Mittel sein oder werden, um einer späteren Zeit 2u vermitteln, wie dieses barbarische Regime sich auf das Leben gewöhnlicher Menschen ausgewirkt hat.

In der modernen Welt der westlichen Zivilisation sind wir alle mit dem doppelten Dilemma des Individualismus und des Staatsbürgertums konfrontiert. Vielleicht handelt es sich sogar um das dreifache Problem des Individuums, der Nation und der intermediären Gruppen, die letztlich sowohl mit dem Individualismus als auch mit dem Nationalismus unvereinbar sind. Aber nur letztlich. In der Welt, in der wir leben, existieren alle drei — Individualismus, Nationalismus und intermediäre Gruppen in unsicheren Kombinationen.“

Reinhard Bendix’ Bericht zeigt, da sein Vater Ludwig Bendix für den größeren Teil seines Lebens davon überzeugt war, die völlige Identifikation mit seinem Heimatland Deutschland erreicht zu haben. Am Ende erwies sich diese Überzeugung als Illusion, während Reinhard Bendix durch die Umstände gezwungen wurde, jene Identifikation aufzugeben, bevor sie sich recht ausbilden konnte. Beide mußten sich in eine Gesellschaft mit vielen Gruppen und mannigfachen Anbildungen anpassen – Lebensgeschichten, die exemplarisch das Schicksal des Individualismus im 20. Jahrhunderts veranschaulichen.

Umschlag: Hermann Michels

Publish Date
Publisher
Suhrkamp Verlag
Language
German
Pages
491

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Edition Availability
Cover of: Von Berlin nach Berkeley
Von Berlin nach Berkeley: deutsch-jüdische Identitäten
1990, Suhrkamp
in German - 1. Aufl.
Cover of: From Berlin to Berkeley
From Berlin to Berkeley: German-Jewish Identities
January 1, 1990, Transaction Publishers
Paperback in English
Cover of: From Berlin to Berkeley
From Berlin to Berkeley: German-Jewish identities
1986, Transaction Books
in English
Cover of: Von Berlin nach Berkeley
Von Berlin nach Berkeley: Deutsch-jüdische Identitäten
1985, Suhrkamp Verlag
Hardcover in German - 1. Auflage
Cover of: From Berlin to Berkeley
From Berlin to Berkeley: German-Jewish identities
Publisher unknown

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Book Details


Table of Contents

Vorwort
Page 13
Einleitung
Page 20
Generationskonflikt
Page 21
Partielle Gruppenzugehörigkeit
Page 23
Die Randexistenz der Intellektuellen
Page 29
Die Marginalitat der Juden
Page 33
Erster Teil: Das Erbe des Vaters – Ludwig Bendix (1877–1954)
I. Anfänge, Studienzeit und erste Kämpfe (1877–1897)
Page 43
Anfänge
Page 43
Der Bruch mit dem Judentum
Page 47
Die drei Freunde
Page 62
Studienjahre
Page 72
II. Der deutsche Anwaltsberuf
Page 83
Geschichtlicher Hintergrund
Page 83
Öffentlicher Dienst, privater Nutzen
Page 86
Nationales und individuelles Interesse
Page 89
III. Ein Kritiker der richterlichen Unparteilichkeit (1914–1918)
Page 92
Einführung: Autoritarismus
Page 92
Engagement für den Anwaltsberuf
Page 94
Rationale Betrachtung irrationaler Kräfte
Page 98
Richter und Anwälte
Page 102
Reformvorschläge
Page 105
Der Kritiker und seine Kritiker
Page 107
Logische Analyse
Page 110
Politische Analyse
Page 111
IIV. Der familiäre Rahmen (1910–1916)
Page 114
Meine Eltern
Page 114
Eine Erfahrung in Osteuropa
Page 127
V. Ein Parteigänger der Unparteilichkeit (1918–1919)
Page 132
Die Diskussionen um die Arbeiterräte
Page 133
Wahlrechtsreform
Page 136
Ein Brief an die jüdische Gemeinde Berlins
Page 143
VI. Politik und Richterstand (1918–1923)
Page 148
Die politische Situation zu Beginn der Weimarer Republik
Page 148
Der deutsche Richterstand
Page 152
Ein rechtspolitisches Programm
Page 156
Die vornehmste Aufgabe des Richterstandes
Page 158
Die neuen Rechte
Page 160
VII. Kritiker und Vermittler (1924–1932)
Page 162
Gerichtsentscheidungen und ihr Kritiker
Page 163
Richter beim Arbeitsgericht
Page 168
Volkssouveränität im Recht
Page 174
VIII. Zerstörung einer Karriere (1932–1935)
Page 181
Die Krise der Weimarer Republik
Page 182
Die Axt fällt
Page 187
Einverständnis mit der Gestapo?
Page 192
Ein Prozeß
Page 197
Zweiter Teil: Krisen der Zugehörigkeit – Reinhard Bendix (geb. 1916) und Ludwig Bendix
IX. Erste Erinnerungen
Page 209
X. Die Jahre 1933 und 1934
Page 226
Aus der Schule entlassen
Page 227
Probleme eines Siebzehnjährigen
Page 233
Bleiben oder nicht bleiben
Page 237
Eine Unterschrift
Page 240
Selbstfindung
Page 243
Welwyn Garden City
Page 245
Heimkehr
Page 248
XI. Zum zweiten Male im Konzentrationslager (1935–1937)
Page 250
XII. Während Vater in Haft war
Page 271
Der Glaube ans Recht
Page 271
Diskussionen im Untergrund
Page 274
Zionismus
Page 277
Geistige Interessen
Page 281
XIII. Auswanderung, Einwanderung (1937–1938)
Page 288
Amerika oder Palästina?
Page 290
Judentum – für und wider
Page 294
Unterwegs
Page 301
Paris
Page 305
Verlorenes Land, verlorene Sprache
Page 307
Amerika
Page 311
XIV. Beginn einer Karriere in Amerika (1938–1946)
Page 325
Einleitung
Page 325
Meine akademischen Lehrer
Page 328
Studium qnd erste Forschungen
Page 331
Lehrtätigkeit in Chicago
Page 341
XV. Die ersten Jahre an der Universität von Kalifornien (1947–1951)
Page 352
Ein neues Department
Page 354
Sozialwissenschaft und das Mißtrauen in die Vernunft
Page 358
Eine Krise in der Universitätsverwaltung
Page 364
XVI. Die Zeit meiner Eltern in Palästina (1937–1947)
Page 371
Emigration nach Palästina
Page 371
Eine neue Assimilation?
Page 377
Zunehmende Enttäuschungen und neue Hoffnung
Page 383
Zionistische Freunde
Page 389
Emigration in die Vereinigten Staaten
Page 394
XVII. Die zweite Einwanderung meiner Eltern (1947–1952)
Page 397
Wiedervereinigung und nachträgliche Bedenken
Page 398
Meines Vaters Ängste
Page 401
Ansiedlung in Berkeley
Page 406
Mein Vater bei der Arbeit
Page 409
Unerwiderte Zuneigung
Page 414
Das Problem der Schwiegertochter
Page 418
Eine zweite Staatsbürgerschaft
Page 423
XVIII. Die Wahl meines Forschungsgebietes: Ein letzter Dialog
Page 426
Ein juristischer und ein wissenschaftlicher Ansatz
Page 426
Unparteilichkeit – noch einmal
Page 432
Das Studium von Ideen und Ideologien
Page 435
Epilog: Eine deutsch-jüdische Familie
Page 445
Die Assimilation meines Vaters
Page 446
Ein Leben zwischen den Kulturen
Page 450
Meine amerikanische Familie
Page 458
Letzte Überlegungen
Page 461
Anmerkungen
Page 467

Edition Notes

Includes bibliographical references.
Translation of: From Berlin to Berkeley.

Published in
Frankfurt am Main, Germany
Translation Of
From Berlin to Berkeley: German-Jewish Identities
Translated From
English

Classifications

Dewey Decimal Class
973/.04924043/0922, B
Library of Congress
DS135.G5 A12515 1985

Contributors

Translator
Holger Fliessbach

The Physical Object

Format
Hardcover
Pagination
491p.
Number of pages
491
Dimensions
21 x x centimeters

ID Numbers

Open Library
OL2590727M
Internet Archive
vonberlinnachber0000bend
ISBN 10
3518047108
ISBN 13
9783518047101
LCCN
85142864
OCLC/WorldCat
230809755
Deutsche National Bibliothek
850463076
Google
VScyAAAACAAJ
Library Thing
26374409, 22305276
Wikidata
Q114744171
Freebase
/m/06qjh_y
Goodreads
4260075

Work Description

From Berlin to Berkeley is an intellectual portrait of one of America's leading social scientists, Reinhard Bendix, and his father, Ludwig Bendix. It is a story of cultural identity and assimilation, of survivors from a course of events that destroyed millions of lives.

Reinhard Bendix offers a profound and moving account of his father's life as a lawyer and critic of the German judicial system, his break with Judaism and identification with German culture, and his emigration to Palestine during Hitler's regime. Bendix then examines the relationship with his father and details his youth in Germany, his emigration to America, and his early career as a scholar.

Covering the period from 1877 to the present, Bendix shows how the two lives were touched by the culture of Imperial Germany, the German legal profession, World War I, the revolution of November 1918 in Germany and subsequent inflation, the Great Depression of the 1930s and the crisis of the Weimar Republic, the Hitler regime, emigration to Palestine and the United States, World War II, the division of Germany, and the world-political role of the United States. The book is a significant measure of one family and one civilization that has shaped our experiences throughout this tragic century.

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