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Nach dem islamistischen Anschlag auf die Zeitschrift Charlie Hebdo im Januar 2015 war es in Frankreich scheinbar für einen Moment gelungen, weitgehende Einigkeit von Führung und – nichtmuslimischem – Staatsvolk herzustellen: Unter dem Motto „Je suis Charlie“ kannte man keine Parteien mehr, sondern nur noch entschlossene Verteidiger „unserer Lebensweise“ gegen den von außen kommenden Feind. Auf einer Großkundgebung in Paris wurde die Polizei von der Menge als Retterin vor dem Terrorismus gefeiert.
Im Frühjahr 2016 zeigte dieser Burgfrieden jedoch deutliche Risse, als anlässlich der Mobilisierung gegen ein neues Arbeitsgesetz eine lautstarke Minderheit durch Worte und Taten kundtat, dass sie diese Gesellschaft und ihre Lebensweise eher zum Kotzen findet. „Tout le monde déteste la police!“ – die ganze Welt hasst die Polizei – war jetzt der Slogan, der auf den Straßen dominierte.
Die Bewegung, die ihre Schwerpunkte sicherlich in Paris, Nantes und Rennes hatte, sich aber praktisch in jeder größeren und kleineren Stadt Frankreichs bemerkbar machte, nahm im Wesentlichen drei Formen an. Erstens gab es Demonstrationen, die regelmäßig in Konfrontationen mit der Polizei mündeten, wobei die casseurs (Krawallmacher) sich entweder an der Spitze der langweiligen Gewerkschaftsumzüge versammelten oder aber in manifs sauvages, unangemeldeten Spontandemos, durch die Straßen zogen. Zweitens gab es die Nuit Debout genannten Versammlungen, bei denen sich Leute des Nächtens auf öffentlichen Plätzen trafen, um zu palavern, von denen aber manchmal auch die oben erwähnten Spontandemos ihren Ausgang nahmen. Und drittens gab es Streiks in verschiedenen Sektoren, wobei die in den Raffinerien das größte Aufsehen erregten, da sie teilweise für lange Schlangen an den Tankstellen sorgten. Die in dieser Broschüre versammelten Texte sind Stimmen unterschiedlicher Leute, die auf die eine oder andere Weise an diesen verschiedenen Aspekten der Bewegung beteiligt waren.
Von den deutschen Massenmedien wurden die Vorgänge in Frankreich auffällig beschwiegen. Stattdessen konzentrierte man sich auf die Darstellung des Spektakels der Fußball-Europameisterschaft. Während im Rahmen dessen über die Ausschreitungen von russischen und anderen Fans in französischen Städten ausführlich berichtet wurden, wurde die ungefähr zeitgleich stattfindende Demonstration gegen das Arbeitsgesetz in Paris am 14. Juni, bei der es nach Aussage älterer Augenzeugen zu den größten Krawallen in der Pariser Innenstadt seit 1968 kam, nur unter ferner liefen erwähnt.
Wie dem auch sei: Unsere Propaganda müssen wir selbst besorgen. Also vervielfältigt und verbreitet diese Broschüre dezentral.
Et al., September, 2016
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1
„Ni loi, ni travail“: Texte zur periodischen Unruhe in Frankreich 2016 anlässlich des neuen Arbeitsgesetzes
2016, Magazin
Pamphlet
in German
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