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Die westliche Lebensauffassung basiert auf Kreativität und freiem Willen. Sinnliche Erfah-rung wird sogar als Bedingung für wissenschaftliche Erkenntnisse gefordert.
Kreativität und Willensfreiheit können aber theoretisch nicht dingfest gemacht werden. Mathematische Gleichungen zeigen keinen Zeitfluss, und so gilt nach Einstein das Fließen der Zeit als eine sinnliche Illusion. Zur gleichen Schlussfolgerung kommen die Hirnforscher be-züglich des freien Willens. Die theoretische Leugnung von Kreativität und Willensfreiheit ist bereits in der antiken Philosophie veranlagt.
Kreativität und Willensfreiheit erscheinen daher im Zwielicht von sinnlicher Erfahrung und theoretischer Leugnung.
Das Unverständnis für dieses Zwielicht verschwindet, wenn theoretische Vergegenständli-chung und sinnliche Erfahrung als Momente des Handelns verstanden werden, das Zwielicht somit zum Wesen des Handelns wird.
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Edition | Availability |
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1
Kreativität und Willensfreiheit im Zwielicht von sinnlicher Erfahrung und theoretischer Leugnung
2007, Königshausen & Neumann
in German
3826034910 9783826034916
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aaaa
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Book Details
First Sentence
"Als wesentliches Kriterium für das Wohlergehen der Menschen gilt wirtschaftliches Wachstum, denn ohne Wachstum bleiben Kapital- und Produktionsressourcen ungenutzt, und das bedeutet Arbeitslosigkeit, geringere Staatseinnahmen und entsprechend geringere Staatsausgaben. Verringern sich die Staatsausgaben für Infrastruktur, Bildung und soziale und andere Aufgaben, dann löst das wiederum eine Einschränkung der wirtschaftlichen Nachfrage aus, sodass sich eine Spiralbewegung in Gang setzt, die die gesamtwirtschaftliche Aktivität auf ein immer geringeres Niveau fallen lässt. << 1 << 1 So jedenfalls in der herrschenden kapitalistischen Marktwirtschaft. Ob andere Wirtschaftsordnungen mit anderen Verteilungs- und Produktionsabläufen denkbar sind, ist nicht Thema dieser Abhandlung. Versuche mit sozialistischen Planwirtschaften sind bisher jedenfalls kläglich gescheitert. Wachstum setzt, soweit nicht nach bestehenden Produktionsmethoden nur mehr produziert wird - z. B. wenn wirtschaftlich weniger entwickelte Gebiete erschlossen werden - Innovationen voraus. Ohne Innovationen hätte sich schon die Agrarproduktion nicht so vergrößern lassen, dass die ständig steigende Bevölkerung der Welt ernährt werden kann. Zwar sind noch viel zu viele an Hunger sterbende Menschen zu beklagen mit scheinbar wegen der Bevölkerungsentwicklung steigender Tendenz. Aber dieses Dilemma wird heute bisher kaum noch mit prinzipiell unzureichenden Produktionsmöglichkeiten begründet. Der Grund wird vielmehr in der mangelnden wirtschaftlichen und technischen Entwicklung der betroffenen Regionen gesehen. Die Herstellungsmöglichkeiten von Lebensmitteln zeigen heute bisher keine prinzipiellen Engpässe. Im Gegenteil: die hoch entwickelten Industrieländer neigen tendenziell zu einer Überproduktion von Agrarproduktion und werfen diese subventioniert auf den Weltmarkt. Sie stören dadurch sogar traditionelle Produktionsmöglichkeiten in Entwicklungsländern. Das war nicht immer so. Im 19. Jahrhundert galt noch die Lehre von Malthus, die eine Abhängigkeit der Bevölkerung von prinzipiell begrenzter Agrarproduktion postulierte, ja, im 20. Jahrhundert begründete das nationalsozialistische Deutschland seine Eroberungspolitik mit der These vom <Volk ohne Raum> und der daraus abgeleiteten Notwendigkeit, im Osten, und insbesondere durch eine Annexion der Ukraine, Land zu gewinnen. Wie innovativ gerade auch die Landwirtschaft war, zeigt sich daran, dass nach dem Kriege auch in Westdeutschland trotz durch den Flüchtlingsstrom aus dem Osten gewachsener Bevölkerung Überschüsse an Milch, Butter und anderen Agrarproduktion hergestellt wurden. Innovationen sind somit die Voraussetzung für steigende Produktionsmöglichkeiten bei beschränkten Ressourcen, aber auch bei steigenden und sich differenzierenden Konsumwünschen. Die Notwendigkeit neue Konsummöglichkeiten zu erschließen, verschärft sich noch in dem Maße, indem bestehende Bedürfnisse gesättigt werden. Denn, was sollen die Menschen dann noch produzieren, wenn nicht Neues. So waren und sind Innovationen das Vehikel, immer neue Produkte zu entwickeln und damit das Funktionieren der Wirtschaft aufrechtzuerhalten. << 2 << 2 Innovationen schaffen nun nicht nur neue Arbeitsplätze. Rationalisierungs- investitionen vernichten auch Arbeitsplätze mit der Folge, dass tendenziell bei stagnierender Bevölkerung mindestens ebenso viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden müssen, wie durch Rationalisierung verloren gehen. Ob das eine realistische Erwartung für die Zukunft ist, kann hier nicht erörtert erwerben. Da aber als Rationalisierungsinvestitionen nicht verboten werden können und alle betroffenen Hersteller gezwungen sind, sie einzusetzen, wenn sie im Wettbewerb nicht unter- gehen wollen, bleibt nur die Hoffnung, dass jeweils genügend neue Produkte und Dienstleistungen angeboten werden, um den Menschen ausreichend Arbeit zu geben. Innovationen sind das Ergebnis von Erfindungen, und Erfindungen werden von kreativen Menschen gemacht. So rückt die Frage der Kreativität ins Zentrum des gesellschaftlichen und damit auch des philosophischen und wissenschaftlichen Interesses. Wegen ihrer zentralen Bedeutung wurde die Kreativität zum Thema des XX: Deutschen Kongresses für Philosophie in Berlin im September 2005 gemacht, auf dem eine Woche lang das Thema von den verschiedensten Aspekten aus beleuchtet und mit ca. 1.500 Teilnehmern diskutiert wurde. Allein die Dokumentation der Vorträge umfasst nahezu 2.000 Seiten. Nun ist Kreativität für das natürliche Verständnis eigentlich kein Problem. Über die Einschätzung von kreativen Menschen und neuartigen Produkten und Verhaltensweisen dürfte es im allgemeinen kaum Meinungsverschiedenheiten geben. Allenfalls können neue Produkte gegenüber bestehenden als primitiver oder bestimmte Kunstprodukte als Ausgeburt krankhafter Geisteshaltung eingeschätzt und ihnen damit die Qualität des Kreativen verweigert werden. Wieso wird das Thema dann aber zum Gegenstand eines philosophischen Kongresses gemacht? Dazu Simone Mahrenholz: >>Der Gegenstand <Kreativität> ist innerhalb der akademischen Philosophie ein Sprengsatz. Sie ist sich dessen nur untergründig bewusst, aber alles, was philosophisch über das Phänomen Kreativität zu ergründen ist, läuft im Ergebnis auf eine Kritik exakt jener Methoden hinaus, mit denen gearbeitet wird. << 3 << 3 Simone Mahrenholz: Kritik des Denkens. Kreativität als Herausforderung für Erkenntnis- und Rationalitätskonzepte, in: Kreativität Sektionsbeiträge des XX. Deutscher Kongresses für Philosophie, Berlin September 2005, Bd. I, S. 53. Das Problem für Wissenschaft, auch für die Philosophie ist: Kreativität kann wissenschaftlich nicht dingfest gemacht werden. Die Schwierigkeit beginnt bereits damit, 1. dass nach wissenschaftlicher Auffassung aus nichts nichts werden kann, also demnach alles schon irgendwie sein müsste. Wieso kann es dann Neues geben? Was ist überhaupt Neues? Es ist eine Qualität. Aber von Qualitäten wird wissenschaftlich soweit wie möglich abstrahiert, bis quantitativ fassbare Entitäten übrig bleiben, aus denen dann komplexe Einheiten abgeleitet werden. Aber was für eine Entität ist Neues? 2. Wissenschaft und Philosophie können die Dynamik eines Prozesses und damit auch das Fließen der Zeit nicht erfassen. Sie lösen die Wirklichkeit in ein System von ontologischen Größen auf. Prozesse erscheinen dabei nur als jeweils neue Zusammensetzungen von Entitäten. Werden, das Hegel so beschrieb, dass etwas ist und zugleich nicht ist, kommt dabei nicht in den Blick. Die Wissenschaft kann deswegen mit Einstein eigentlich nur konstatieren, dass das Fließen der Zeit eine Illusion ist. Da Kreativität als dynamisches Geschehen die treibende Kraft für die wissenschaftliche Erkenntnis und deren Umsetzung ist, die Theorie das Geschehen aber eigentlich leugnen müsste, bleibt das Phänomen der Kreativität ein zu lösendes Problem, ja, ein ständiges Ärgernis, wie auch Kurt Abel in seiner Einleitung zum Kreativitätskongresses ausführte. << 4 << 4 Seine Ausführungen liegen noch nicht schriftlich vor und sollen dem Vernehmen nach in den dritten Band der Dokumentation des Kongresses über die Diskussionsbeiträge aufgenommen werden. Kreativität ist aber nicht nur ein prozessuales Geschehen wie jedes andere. Es ist ein solches, das auf einen Kreator, ein Subjekt bezogen ist. Denn, wenn sich in der Natur z. B. eine neue Pflanze entwickelt oder ein neuer Virus oder dies durch Zufall geschieht, erfahren wir zwar auch Neues, aber dann sprechen wir nicht von einem kreativen Akt, es sei denn wir machen die Natur oder den Zufall selbst zu einem Subjekt. Abgesehen davon, dass Subjektivität der Natur oder des Zufalls genauso schwer dingfest gemacht werden könnte wie menschliche Subjektivität, tun wir damit dem Sprachgebrauch Gewalt an. Das Erkennen und Handeln, die doch einen Bezug des Menschen zu seiner Welt voraussetzen, werden unverständlich. Wenn wir aber die Basis unseres Denkens und damit auch aller philosophischen und wissenschaftlichen Tätigkeit nicht verlieren wollen, dann kommen wir über eine Dualität von Erkennendem und Erkannten nicht hinaus. Selbst wer einen realen Monismus und in ihm eine Selbstregulierung vertritt, kommt um die Tatsache nicht herum, dass auch dieser Monismus von einem Menschen erkannt und als von ihm Äußeres beschrieben werden muss, denn sonst würde der Erkenntnisprozess selbst und damit der Dualismus von Erkennendem und Erkannten in das Erkannte hineingetragen und auf das Erkannte wiederum einwirken. Das kann zu einer totalen Konfusion führen, es sei denn man stellt sich das Erkennen als einen Prozess vor. Dann käme man zu einem immer komplizierteren Regress. Die vorgestellte Beziehung würde zum Erkannten, die Beziehung des Erkennenden zur Beziehung des Erkennenden zum Erkannten würde wiederum zu einem Erkannten usw. Außerdem hätten wir dann wieder einen Prozess, der wissenschaftlich nicht dingfest gemacht werden kann. Für den Begriff der Subjektivität ist freier Wille konstitutiv, denn das macht gerade den Unterschied von Subjekt und Objekt aus, dass ersteres als denkend, fühlend und wollend, letzteres dagegen als unpersönliche Gegebenheit in gesetzlich geregelten Beziehungen zu anderen Objekten verstanden wird. Wenn Subjektivität im Sinne eines materialen Monismus ontologisiert, d. h. zu einer materiellen Entität wird, für deren Beziehungen von der Wissenschaft kausale Abhängigkeit unterstellt werden, dann verliert sie den Charakter der Subjektivität selbst. Sie kann dann in allen ihren Äußerungen nur als determiniert vorgestellt werden. Das subjektive Empfinden eines freien Willens kann demnach nur eine Illusion sein. Die Kreativität verliert damit auch ihren subjektiven Bezugspunkt und schrumpft zu einem nur äußerlichen Geschehen. Kreativität und Willensfreiheit zeigen sich somit im Zwielicht von sinnlichem Erleben und theoretischer Leugnung. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass sowohl das sinnliche Erleben von freiem Willen und von Kreativität, als auch die theoretische Leugnung dieser Phänomene in der westlichen Welt gegenüber anderen Hochkulturen und den Entwicklungsländern am intensivsten ausgeprägt sind. Das spricht für einen inneren Zusammenhang."
Edition Notes
Includes bibliographical references (p. 169-176).
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