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Manchmal benötigt es den Blick von Außen um auf bestehende Probleme aufmerksam zu werden. Der deutsche Konvertit, Murad Hofmann, der als Botschafter der BRD viele Jahre in muslimischen Ländern lebte, kennt sowohl die westliche Lebensweise mit seinen Vor- und Nachteilen als auch die islamische.
In seinem Buch „Islam im 3. Jahrtausend“ schildert Hofmann im ersten Teil eindrucksvoll die westliche und die islamisch geprägte Welt aus verschiedenen Blickwinkeln. Er gewährt dem Leser einen Einblick in die verschiedenen Lebensweisen und zeigt dabei die Vorzüge und Schwächen auf.
Aus der Perspektive eines „Kultur-Muslims“ skizziert er ein Bild des Westens mit seinen Tugenden wie Pünktlichkeit, Pflichttreue, Disziplin und Fleiß. Die Vorzüglichkeit des praktizierten Rechtssystems, das frei von Korruption und Bestechlichkeit sei und die individuellen Freiheiten werden hervorgehoben. Auf der anderen Seite beschreibt Hofmann den Westen aus der Sicht eines praktizierenden Muslims, der in erster Linie das moralische Dilemma sieht, in dem der Westen steckt. Den Werteverfall, die Orientierungslosigkeit der Jugendlichen, Drogenprobleme und Unsittlichkeit, bewertet er als Begleiterscheinungen der konsumorientierten westlichen Lebensweise, die sich von der religiösen Weltanschauung entfernt hat.
Die muslimische Welt hingegen beschreibt Hofmann aus der Sicht zweier Konvertiten, die in ihren Ansichten große Diskrepanzen vorweisen. Der erste Konvertit preist den Zusammenhalt der Familie, die Gastfreundschaft, die moralischen Werte, Spiritualität, die Nähe zur Religion. Doch während dieser den Zusammenhalt der Familie z.B. als etwas Positives bewertet, hebt der andere die negativen Konsequenzen daraus hervor, wie beispielsweise die Vetternwirtschaft. In der Spiritualität der islamischen Welt, die zu mehr Ruhe und Bedächtigkeit führt, sieht der zweite Konvertit die Ursache für die Stagnation der Muslime in manchen Bereichen.
Vor diesem Hintergrund schildert Dr. Hofmann seine Gedanken zum Islam im 3. Jahrtausend. Zunächst geht er auf die Vorurteile ein, denen die Muslime im Westen begegnen. Die Ressentiments gegenüber dem Islam und dem Orient sieht Murad Hofmann tief in der Geschichte verwurzelt. Die ablehnende Haltung rührt seiner Ansicht nach noch von den Kreuzzügen und der osmanischen Herrschaft her, die zudem von der negativen Medienberichterstattung über den Islam und die Muslime bekräftigt wird. Ferner macht er die mangelnden Kenntnisse über den Islam für das negative Islambild verantwortlich.
Insbesondere auf die Bereiche Demokratie und Frauenbild des Islams geht Hofmann detailliert ein und widerlegt die Vorwürfe mit fundiertem Wissen.
Den Vorwurf, dass der Islam nicht mit der Demokratie zu vereinbaren sei widerlegt er, indem er Belege für die Demokratietauglichkeit des Islams nennt und sich dabei auf Gelehrte wie Al-Turabi und Muhammad Asad beruft, die sich für eine Demokratierezeption des Korans aussprachen. Hofmann hebt zunächst hervor, dass die Demokratie in islamischen Ländern kein Abbild der westlichen Demokratien sein muss. Vielmehr ist er für eine „islamische Demokratie“, die die Grundvoraussetzungen der Demokratie erfüllt und mit dem Islam zu vereinbaren ist. Er geht auf die grundlegendsten demokratischen Kriterien ein wie Verhinderung von Willkür, Gewaltenteilung, vom Volk gewählte Volksvertreter usw. und belegt anhand des Korans und der Sunna, dass dies Kriterien sind, die nicht mit dem Islam im Widerspruch stehen. Im Prinzip der Schûrâ sieht er beispielsweise die „Grund-lage eines islamischen Parlamentarismus“. Schließlich kommt er zu dieser Schlussfolgerung: „Aus der bisherigen Darstellung ergibt sich meines Erachtens zwingend, dass der Islam nicht eo ipso für demokratiefeindlich gehalten werden kann, dass er vielmehr neun Grundsteine bzw. Grundbausteine für das Fundament einer islamischen Demokratie aufweist, die es lediglich zu aktualisieren gilt. Die gegenteilige These von einem einzigartigen, allgemeinen Webfehler der Muslime in Sachen Demokratie wirkt daher wie postmoderner Rassismus. […] Es geht jedenfalls nicht an, Demo-kratie so zu definieren, dass eine Bürgerschaft schon deshalb als demokratieunfähig gilt, weil sie an Gott glaubt und daraus ihre Konsequenzen zieht.“ (S. 122)
Des Weiteren greift Hofmann das Thema die Stellung der Frau im Islam auf und legt hier die Vorbehalte des Westens bezüglich der Rolle der Frau im Islam dar. Er zeigt nicht nur die Sicht des Westens, die den Islam als frauenfeindlich deklariert. Eingehend schildert er die Diskrepanz zwischen Kultur und Islam hinsichtlich der Stellung der Frau im Islam und beklagt wie wenig sich die aktuelle Lage der Frauen im Okzident mit dem eigentlichen Bild der Frau nach Koran und Sunna deckt. Er propagiert die ernsthafte Aus-einandersetzung mit dem Islam, so dass die Unzulänglichkeiten der Muslime dem Islam selbst nicht angelastet werden können.
Im Wesentlichen jedoch befasst sich Murad Hofmann damit welchen Platz der Islam in der Gegenwart einnimmt, welchen Weg er zukünftig einschlagen wird und was er dem Westen zu bieten hat. Er stellt den Islam als eine Alternative dar, die das Potential in sich trägt dem Werteverfall entgegenzuwirken und die Probleme des 3. Jahrtausends zu bewältigen. Entgegen den Behauptungen des Westens, die den Islam als mittelalterlich degradieren, bezeichnet er den Islam als eine Religion, die die Anforderungen jeder Zeit und Epoche erfüllen kann. Doch damit der Islam, den ihm gebührenden Platz im Westen einnehmen kann, setzt er auf beiden Seiten Veränderungen voraus. Hofmann zufolge ist ein dynamischer Wandel in der muslimischen Gesellschaft, der mit der Abgrenzung der Kultur von der Religion einhergeht und „eine Aufarbeitung der Sunna und die Erneuerung der Jurisprudenz“, für die Zukunft des Islams im Westen von ungeheurer Wichtigkeit. In der westlichen Welt hingegen fordert er die Rückbesinnung auf religiöse Werte und eine Ablösung der Pseudoreligionen.
„Nur wenn es gelingt, den Westen von den Illusionen seiner Modernität zu befreien, ist Hoffnung vorhanden. Denn nur dann kann es gelingen, die rationalistische Selbstvergiftung des Westens so zu unterbrechen, dass er wieder transzendente Bindungen eingehen und das Göttliche, das Heilige, wieder in seinen Geschichtskreis zurückfinden lassen kann. Es geht also um die Rehabilitierung der Religion als einer rationalen Reaktion auf die conditio humana, die mit einer Entthronung der positiven Wissenschaften als imperialer Pseu-doreligion einhergehen muss.“ (S. 223-224)
Abschließend erläutert Murad Hofmann in 14 Schritten warum insbesondere der Islam die richtige Antwort auf viele Nöte des Westens wäre.
Obgleich einige Inhalte wie zum Beispiel Hofmanns Ansichten zum Kopftuchgebot und zur Geschlechtertrennung im Islam umstritten sind, ist das Buch „Der Islam im 3. Jahrtausend“, als eine Bestandsaufnahme des Orients und Okzidents, aufgrund seiner kritischen Darstellung dieser Kulturkreise und dem Aufgreifen der aktuellen Diskussionen sehr zu empfehlen. Zudem gewährt der Autor mit seinem umfangreichen Wissen einen Einblick in die islamische Rechtswissenschaft und regt mit dem ausführlichen Literaturverzeichnis zu weiteren Nachforschungen an.
Autorenporträt
Murad Wilfried Hofmann, geboren 1931, promovierter Jurist, arbeitete 33 Jahre im diplomatischen Dienst, zuletzt als deutscher Botschafter in Algerien und Marokko. Heute bereist er als vielgefragter Vortragender vor allem Westeuropa, die USA und muslimische Staaten. Dr. Hofmann konvertierte 1980 zum Islam und veröffentlichte seither zahlreiche Aufsätze und Bücher über interkulturelle und -religiöse Themen.
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Edition | Availability |
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1
Der Islam im 3. Jahrtausend. Eine Religion im Aufbruch.
March 1, 2000, Hugendubel, Verlag Heinrich
Paperback
3720521249 9783720521246
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2
Der Islam im 3. Jahrtausend: eine Religion im Aufbruch
Publish date unknown, Ariston im Heinrich Hugendubel Verlag
in German
- 1 Auflage.
3720521249 9783720521246
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