Mein 6. Streichquartett ist unter dem Eindruck der Erkrankung und des Todes Georg Kulenkampffs in wenigen Tagen entstanden. Wer das Glück hatte, dem großen Geiger künstlerisch un menschlich nahegekommen zu sein, der kann ermessen, welche Gefühle mich bewegten, als der Runfunk erstmals Kunde von seiner Erkrankung gab. Unter diesem unmittelbaren Eindruck drängte sich mir der erste Satz auf -- die unruhig pochenden Herzschläge im Cello, das dramatische Tremolo der Bratsche und die ängstlich verhaltene Melodik der Geigen bestimmen seinen Charakter. Noch einmal klingt im Scherzo eine wilde Lebensfreude, ein geigerischer Glanz auf. Inzwischen wurden die Nachrichten immer bedrohlicher, und so wurde der langsame Satz ein schmerzliches Abschiednehmen -- inbrünstig klingt die erste Choralzeile "Aus tiefer Not" an, der Gesang wendet sich immer mehr ins Transzendentale, und die letzten Takte schrieb ich am 5. Oktober 1948 in der erschütternden Gewißheit, daß der liebe Freund für immer verstummte. Der letzte Satz mit seiner vehementen Rhythmik und seiner aggressiven Thematik hadert mit dem grausamen Schicksal. Nach einem letzten Aufbäumen reißt die Musik ab -- über dem ängstlichen Tremolo der Geige erklingen nochmals die Themen der vorangegangenen Sätze -- die pochenden Herzchläge des Anfangs erlöschen -- das Hinübergleiten des Freundes symbolhaft andeutend. - Vorwort / Karl Holler.